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Klimaschutz muss sozial verträglich ausgestaltet werden

15.11.2021 - Siegen

Klimaschutz muss sozial verträglich ausgestaltet werden

Die UN-Klimakonferenz in Glasgow ist gerade zu Ende gegangen. Bauingenieurin Professorin Dr. Lamia Messari-Becker von der Universität Siegen erklärt im Interview, warum wir in Diskussionen über Klimaschutzmaßnahmen das Thema Bauen und Wohnen viel mehr in den Mittelpunkt stellen sollten, und warum sie ein eigenständiges Bauministerium fordert.

Interview

Die UN-Klimakonferenz in Glasgow ist gerade zu Ende gegangen. Klimaaktivisten sprachen von einer „Bla Bla Bla“-Konferenzen, andere sprechen von „Betrug“. Wie schätzen Sie die Abkommen ein?

Professorin Dr. Lamia Messari-Becker: Ich teile diese Ansichten nicht. Die Weltgemeinschaft in eine gemeinsame Richtung zu bewegen, ist ein demokratischer und diplomatischer Seiltanz – der ist in Glasgow eher gelungen als nicht gelungen. Die UN-Klimakonferenz hat sechs Jahre nach dem Pariser Abkommen von 2015 dieses Abkommen operativ übersetzt. Der globale Ausstieg aus der Kohleenergie wird eingeleitet. Das ist eine Wende, der sich langfristig kein Land entziehen dürfte. Zudem einigten sich 197 Länder über Regeln für einen globalen Kohlenstoff-Markt. Dahinter steckt, dass 2015 in Paris vereinbart wurde, dass Industrienationen ihre Emissionsminderung auch in anderen Ländern erbringen dürfen. Jetzt ist diese Anrechnung klar geregelt. Das dürfte milliardenschwere Klimaschutzinvestitionen in den Entwicklungsländern auslösen. Zudem werden Aufforstungsprogramme gestärkt.

Ein Blick auf die nationale Bilanz: Welches Zeugnis geben Sie der bisherigen Bundesregierung beim Thema Klimaschutz?

Messari-Becker: Die bisherige Bundesregierung hat bei der Energiewende, als Kernstück ihrer Klimaschutzstrategie, vieles falsch aufgesattelt. Den Fokus auf Strom und nur auf die Energieträger Wind- und Solarkraft zu setzen, war nicht zielführend, ebenso wenig die Vernachlässigung der Forschungsförderung zur Energiespeicherung als elementarer Bestandsteil einer sicheren Energieversorgung. Die Herausforderungen des Kohle- und Atomausstiegs wurden im wissenschaftlichen Diskurs oft verniedlicht. Dabei ist das eine riesige Aufgabe. Nun sind wir vom Erdgas abhängig. Nötig ist also eine deutlich diversifizierte Energiewende. Der bisherige Ausbau erneuerbarer Energien reicht nicht aus, um eine Industrienation mit klimaneutraler Energie sicher zu versorgen.

Welche Erwartungen haben Sie an die anstehende Koalition bezüglich des Klimaschutzes?

Messari-Becker: Ich bin eine Optimistin. In der Konstellation SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FPD steckt eine historische Chance, eine industrielle Revolution anzuschieben, die soziale Marktwirtschaft zu ökologisieren und Deutschland nachhaltig zu modernisieren. Für mich bedeutet das zum Beispiel: Grünes Wachstum, neue Jobs, kreative Unternehmen, innovative und sozial verträgliche Lösungen.

Die nächste Koalition wird das Ziel der alten Koalition erreichen müssen, nämlich 2045 klimaneutral zu werden. Wie realistisch ist das?

Messari-Becker: Das Tempo ist enorm. Denn wir müssen im Gebäudesektor in nur neun Jahren – also bis 2030 – genau so viel CO2-Reduktion schaffen, wie in den 30 Jahren zuvor, nämlich rund 40%. Dabei vermisse ich vor allem sozial verträgliche Lösungen, die alle Menschen mitgehen können. Eine Politik zu betreiben, die die Strompreise derart in die Höhe treibt, um dann den sozialen Ausgleich zu versprechen, ist kurzsichtig. Klimaschutz muss sozial verträglich ausgestaltet werden.

… und dabei wird Wohnen immer teurer: Die Energiepreise und Heizkosten sind gestiegen. Vor allem sozial schwächere Menschen leben in nicht gut gedämmten Wohnungen und haben hohe Heizrechnungen. Eigenheime werden immer teurer. Zusätzlich zu sanieren, können sich viele Menschen nicht leisten. Was müsste die neue Regierung tun, um hier soziale Komponenten reinzubringen?

Messari-Becker: Rund 30 Prozent der Haushalte haben netto im Monat weniger als 2.000 Euro zur Verfügung. Das sind Haushalte, die eine energetische Gebäudesanierung nicht mal eben oder nie stemmen können, selbst als Eigentümer nicht. Rund 50% des Wohnungsbestands ist zudem vermietet. Dazu kommt: Haushalte mit kleinem Einkommen wohnen oft in Gebäuden mit hohem Energieverbrauch und haben hohe Heizkosten. Wir brauchen mehr denn je sozial verträgliche Lösungen, um allen Menschen zu ermöglichen, beim Klimaschutz mitzumachen. Für bezahlbares ökologisches Wohnen muss die Bundesregierung ihre Förderprogramme auch mit sozialem Blick weiter entwickeln. Wir müssen weg vom Fokus auf Einzelgebäude, hin zu innovativen Quartiersansätzen.

Wie sähe das konkret aus?

Messari-Becker: Auf der Quartiersebene werden gemeinsame Projekte, serielle Sanierungen oder Energiegewinnung etc. ermöglicht. Das erhöht die Sanierungsrate und spart Kosten. Solche Programme könnte man für solche Wohnquartiere in Kooperation mit Wohnungsbauwirtschaft auflegen, eine Art „warmmietenneutrale Quartierssanierung“. Solche Vorschläge habe ich bereits als Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung, übrigens gegen ideologische Widerstände unterbreitet. Ein weiterer Aspekt ist die CO2-Abgabe auf fossile Energieträger. Hier darf es nicht bei der jetzigen einseitigen Lösungen der Mieterbelastung bleiben.

Wie sieht es in dörflichen Regionen aus? Wird der Klimaschutz entlang der Bedürfnisse gedacht?

Messari-Becker: Nein, leider nicht. Wir haben eine Kluft zwischen Stadt und Land, die auch in den Lösungsansätzen durchschimmert. Dass die Mobilitätswende oft städtisch gedacht wird, der Ausbau der erneuerbaren Energien aber vom Land gestemmt wird, ist eine Facette der ungleichen Entwicklung. Viele Ideen für klimaschonende Lebensweisen zielen nur auf städtische Zielgruppen ab: Car Sharing, E-Mobilität, kurze Wege etc. Davon haben Menschen auf dem Dorf nichts. Auch Diskussionen über Auto-Verbote, bringen uns nicht weiter. Individualverkehr nimmt ja durch die geografische Zerstückelung von Wohnen, Freizeit und Arbeit zu. Es ist falsch, hier Lebensweisen zu diffamieren. Es gibt nicht „die eine Lösung“, die für alle gleich gut funktioniert. Vielmehr muss die Politik ihr Versprechen „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ einlösen und Klimaschutzmaßnahmen entlang der Lebensrealität der Menschen entwickeln.

Wie lassen sich all diese Komponenten des Wohnens, der Stadt- und Raumentwicklung etc. sinnvoll koordinieren?

Messari-Becker: Ich fordere ein eigenständiges Bundesministerium für Bauen, Wohnen, Stadt- und Raumentwicklung und Infrastruktur. Bauen ist umweltrelevant, mit einem Drittel CO2-Emisionen, knapp 40% Energieverbrauch und 50 % Ressourcenverbrauch. Bauen ist ökonomisch stark. Mit 619 Mrd. Euro Bruttowertschöpfung, ohne öffentliche Investitionen, ist die Bauwirtschaft stärker als die Autoindustrie. Die gebaute Umwelt ist zudem sozialer Lebensraum – er betriff die 83 Mio. Menschen in Deutschland. Deshalb darf das Bauressort nicht länger wie ein Anhängsel behandelt und immer wieder von einem Ministerium ans nächste gedockt werden.

Mit welchen Fragen würde sich ein solches Bauministerium beschäftigen?

Messari-Becker: Zentrale Fragen wären: Wie verbinden wir Wohnen und Arbeit? Wie überwinden wir die Kluft zwischen Stadt und Land? Wie nutzen wir die ökonomische Stärke der Baubranche für mehr Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft? Wie berücksichtigen wir die sich verändernden Arbeits- und Lebensgewohnheiten in einer immer älter werdenden Gesellschaft? Wie reduzieren wir den Energie- und Materialverbrauch beim Bauen? Wie schaffen wir eine Trendwende beim Flächenverbrauch? Wie lassen sich Wohnen, Energie und Mobilität bezahlbar für alle Menschen gestalten? Wie sieht Bauen 4.0 aus? Wie sichern wir Fachkräfte für all diese Aufgaben? Sie sehen – es gibt genug zu tun.

Quelle Text: Universität Siegen. Quelle Bild Titel: Enrico Santifaller

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