27.07.2018 - München
Mit der Erklärung von Davos beschlossen die Kultusminister der europäischen Länder im Januar dieses Jahres eine europaweite Koalition für Baukultur und forderten ein Gleichgewicht zwischen den kulturellen, sozialen, ökonomischen, ökologischen und technischen Aspekten von Planung, Gestaltung, Erstellung und Umnutzung im Interesse des Gemeinwohls. Welchen Beitrag die Ingenieure als Gestalter der Gesellschaft dabei leisten, wenn es um die Schaffung lebenswerter Wohn- und Arbeitswelten geht, zeigt Klaus-Jürgen Edelhäuser, Vorstandsmitglied der Kammer, in diesem Artikel.
Im Januar dieses Jahres beschlossen die Kultusminister der europäischen Länder in einer informellen Konferenz die Erklärung von Davos als eine europaweite Koalition für Baukultur. Bemängelt wird in der Erklärung u.a. der Flächenverbrauch in den Ländern, der „Verlust an Qualität der gebauten Umwelt und der offenen Landschaften“ sowie die „fehlenden gestalterischen Werte und ein fehlendes Interesse für Nachhaltigkeit“. In der Erklärung wird in diesem Zusammenhang unter anderem ein „Gleichgewicht zwischen den kulturellen, sozialen, ökonomischen, ökologischen und technischen Aspekten von Planung, Gestaltung, Erstellung und Umnutzung im Interesse des Gemeinwohls“ gefordert.
Die einleitenden Worte der Erklärung von Davos vermitteln kein gutes Bild vom aktuellen Stand unserer gegenwärtigen Baukultur. Ist es wirklich so schlimm? Bei genauer Betrachtung kann man durchaus erkennen, dass wir mit der Entwicklung unserer Wohn- und Arbeitswelten, also einem Teil unserer gebauten Umwelt, sowohl in den Ballungszentren als auch auf dem „flachen Land“ durchaus gewisse Korrekturen vornehmen müssen, um auch in Zukunft eine lebenswerte Umgebung zu haben.
Architektur nicht auf reinen Zweck reduzieren
Lebenswerte Wohn- und Arbeitswelten bedeuten einerseits
eine optisch angenehme und schöne Umgebung mit entsprechend gestalteten
Gebäuden, die sich in die Umgebung einfügen. Die Aspekte „angenehm und schön“
sind dabei selbstverständlich sehr subjektiv. Wichtig ist, dass die Architektur
der Bauwerke nicht nur auf den reinen Zweck des Gebäudes reduziert werden darf.
Es geht also nicht nur darum, ein Dach über dem Kopf und vier Wände um uns
herum zu haben. Die Gestaltung der Gebäude sollte anderen Ansprüchen folgen: In
historisch gewachsenen Städten lassen sich an den Bauwerken üblicherweise epochale
und regionale Elemente ablesen, die in der Regel für ein lebenswertes und
„schönes“ Ambiente sorgen. Dies betrifft einerseits die Proportionen von
Baukörpern, andererseits aber auch individuelle Gestaltungs- und Zierelemente,
um nur zwei Aspekte zu nennen.
Gestaltungsanspruch in den Mittelpunkt stellen
Dieser Gestaltungsanspruch und diese Individualität von Gebäuden sollte wieder mehr in den Mittelpunkt gestellt werden. Womöglich ist eine anspruchsvollere Gestaltung auch mit etwas höheren Baukosten verbunden. Die Mehrkosten bedeuten dann aber einen vielfachen Mehrwert in Bezug auf eine lebenswerte Wohn- oder Arbeitsumgebung.
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt bei der Schaffung von
lebenswerten Wohn- und Arbeitswelten ist die Einbeziehung des Quartiers oder
des Ensembles und hier auch insbesondere ökologische Aspekte. In vielen Städten
und Siedlungen wurde in der Vergangenheit, auch im Zuge der Nachverdichtung, zu
viel Natur „verdrängt“, zu viele Flächen versiegelt.
Grünflächen sind wichtig
Wie wichtig Grünflächen
und damit auch Versickerungsflächen sind, zeigt sich, rein technisch
betrachtet, regelmäßig bei starken Regenfällen. Die Bedeutung von Grünflächen
wird aber auch beim sommerlichen Wärmeschutz deutlich. Fehlen solche Flächen,
wird mehr (baulicher) Aufwand zur Verschattung, aber auch zur technischen
Kühlung von Gebäuden erforderlich.
Zudem sorgt eine passende Begrünung eines
Quartiers nicht nur für ein ökologisches Gleichgewicht, dessen Fehlen eingangs
bemängelt wurde. Grünflächen tragen automatisch dazu bei, das soziale und auch
das kulturelle Gleichgewicht zu fördern. Sie stellen also auch unter diesem
Gesichtspunkt eine lebenswerte Wohn- und Arbeitswelt sicher.
Gestalter der Gesellschaft
Als Ingenieure sind wir Gestalter der Gesellschaft. In keinem anderen Berufszweig gibt es eine größere Möglichkeit auf die jeweiligen Facetten einer lebenswerten Wohn- oder Arbeitswelt Einfluss zu nehmen. Ziel muss dabei sein, die interdisziplinäre Zusammenarbeit auf einem hohen Qualitätsstandard voranzubringen und ggf. den Bauherren den „Mehrwert“ einer lebenswerten Wohn- und Arbeitswelt aufzuzeigen.
In spätestens zehn Jahren wollen die Kultusminister der Länder wieder zusammenkommen, um die Fortschritte zur Realisierung einer hohen Baukultur zu evaluieren. Es wäre ein tatsächlicher Erfolg, wenn dann die Erklärung positiver ausfallen würde.
Kolumne von Klaus-Jürgen Edelhäuser, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung vom 27.07.2018.
Kolumne in der Bayerischen Staatszeitung
Die Bayerische Ingenieurekammer veröffentlicht einmal im Monat eine Kolumne zu aktuellen Themen in der Bayerischen Staatszeitung. Hier nehmen die Mitglieder des Vorstands der Kammer Stellung zu Themen aus Bauwesen, Politik und Gesellschaft.
Hier haben wir Ihnen alle Kolumnen zum Lesen oder als Download bereitgestellt.
Die Social Media Buttons oben sind datenschutzkonform und übermitteln beim Aufruf der Seite noch keine Daten an den jeweiligen Plattform-Betreiber. Dies geschieht erst beim Klick auf einen Social Media Button (Datenschutz).
Jetzt Newsletter abonnieren!
Sustainable Bavaria
Nachhaltig Planen und Bauen
Digitaltouren - Digitalforen
Netzwerk junge Ingenieure
Werde Ingenieur/in!
www.zukunft-ingenieur.de
Veranstaltungstipps
Einheitlicher Ansprechpartner
Berufsanerkennung
Professional recognition
Bayerische Ingenieurekammer-Bau
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Schloßschmidstraße 3
80639 München