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Ersatzbaustoffverordnung: Bundesrat vergibt eine Chance

Kolumne von Prof. Dr. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung vom 28.07.2023

28.07.2023 - München

Ersatzbaustoffverordnung: Bundesrat vergibt eine Chance

„Am 7. Juli stimmte der Bundesrat über die Novellierung der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) ab. Die getroffene Entscheidung, akut notwendige Änderungen (noch) nicht anzunehmen, ist vor dem Hintergrund der dringend notwendigen ökologischen Transformation der Bauwirtschaft völlig unverständlich“, sagt Kammerpräsident Prof. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken in unserer aktuellen Kolumne in der Bayerischen Staatszeitung

Kommentar / Kolumne

Ersatzbaustoffverordnung – Bundesrat vergibt eine Chance

Am 07. Juli stimmte der Bundesrat über die Novellierung der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) ab. Die getroffene Entscheidung, akut notwendige Änderungen (noch) nicht anzunehmen, ist vor dem Hintergrund der dringend notwendigen ökologischen Transformation der Bauwirtschaft völlig unverständlich. Denn wir sind durch das UN-Nachhaltigkeitsabkommen 2030 und durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz zur Klimaneutralität verpflichtet.

Bauabfälle, wie „Bauschutt“, Straßenaufbruch, Boden und Steine, sowie Baustellenabfälle stellen mit über 200 Millionen Tonnen jährlich fast 60% des Abfallaufkommens in Deutschland dar. Je mehr von diesen mineralischen Abfällen wiederverwendet werden, desto mehr wertvolle Ressourcen, vor allem Rohstoffe, können geschont werden. Darüber hinaus machen wir die Bauwirtschaft in Deutschland unabhängiger von Importen.

Den Empfehlungen des Umweltausschusses gefolgt

Die wichtigen zukunftsweisenden Empfehlungen der drei Ausschüsse („Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung“, „Wirtschaft“ und „Verkehrswesen“), die nicht angenommen wurden, hätten die Ersatzbaustoffverordnung ab dem 01.08.2023 im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zukunftsfähig und praktikabel gemacht. Leider ist der Bundesrat aber den Empfehlungen des Umweltausschusses gefolgt, der die geforderten Änderungen grundsätzlich zwar befürwortet, sie aber aus uns unerklärlichen Gründen vertagt hat.

Ersatzbaustoffe bzw. Recyclingbaustoffe müssen selbstverständlich zertifiziert werden, damit sie nicht umweltschädlich sind. Wichtig ist aber, dass das auf der Baustelle im Zuge der mobilen Aufbereitung erfolgen kann.

 Mit der jetzigen Regelung wird die mobile Aufbereitung 
 sehr erschwert bis unmöglich gemacht. 

Das hat zur Folge, dass Abbruchmaterialien in teilweise weit entfernte stationäre Aufbereitungsanlagen gefahren werden müssen. Das bedeutet einerseits eine Belastung für Menschen und Umwelt (Lärm, (Fein-)Staub, mehr Verkehr, Abrieb etc.) und andererseits eine unnötige hohe CO2-Emission. Ob der Umweltausschuss hier systemisch analysiert hat?

Der Bund wollte mit der Ersatzbaustoffverordnung eine erstmals bundeseinheitliche Regelung schaffen, was zu befürworten ist. Doch jetzt müssen die Länder schnellstens für sich entscheiden, wie sie die negativen Auswirkungen der Bundesratsentscheidung „abfedern“. Das ist eigentlich eine Rolle rückwärts.

Gebäude sind Rohstofflager

 Die Bauwirtschaft hatte gehofft, dass mit der Entscheidung 
 des Bundesrates das Abfall-Ende endlich besiegelt wird. 
 Doch das ist nun auf unbekannte Zeit verschoben. 

Statt beim Abriss von Gebäuden Abfall zu reduzieren und mehr Recycling am Bau zu ermöglichen, wurde die schnelle Wiederverwertung erschwert und damit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht Genüge getan. Gebäude sind Rohstofflager und fast alle mineralischen Baustoffe lassen sich zu 100 % aufbereiten und wiederverwenden. Reallabore dazu gibt es, wie wir bei Projekten in der Bayern-Kaserne sehen.

Die EBV bzw. die Mantelverordnung geht weiterhin zu sehr davon aus, dass sogenannte Ersatzbaustoffe im Straßen- und Tiefbau „verfüllt“ werden. Das sind somit Baustoffe zweiter Klasse; ein Down-grading. Das verstehen wir nicht als „Recycling“. Mineralische Baustoffe aus dem Abbruch sind hochwertige Rohstoffe erster Klasse, die wieder zu dem werden können, was sie waren; nämlich z.B. zu Betonbauteilen und Mauerwerkswänden.

Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau hat „Sustainable Bavaria“ initiiert; ein Zusammenschluss wichtiger Verbände und Kammern der bayerischen Bauwirtschaft, die deren digitale und ökologische Transformation beschleunigt vorantreiben wollen. Sie fordern u.a. die lebenszyklusbasierte Nutzung von Ressourcen und schlagen konkret Maßnahmen zur möglichst vollständigen Nutzung von so genannten Sekundärbaustoffen vor.

Schnellst mögliche Einigung gefordert

Wir fordern, dass sich die beteiligten vier Ausschüsse im Interesse der Klimaneutralität schnellstens einigen. „Sustainable Bavaria“ bietet unabhängige Expertise an. Mehr über das Bündnis: www.sustainable-bavaria.de.

Kolumne von Prof. Dr. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung vom 28.07.2023

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Foto: Tobias Hase

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