04.08.2023 - Bonn
Das Bundesverwaltungsgericht hat der beschleunigten Ausweisung von kleinen Baugebieten bis 10.000 Quadratmetern einen Riegel vorgeschoben. Freiflächen außerhalb des bestehenden Siedlungsgebiets einer Stadt oder Gemeinde dürfen nun nicht mehr im beschleunigten Verfahren nach § 13b Baugesetzbuch (BauGB) ohne Umweltprüfung überplant werden. Die BVMB fordert jetzt bei der Bundesregierung „wirksame und effektive gesetzliche Regelungen“ ein, um das Bauen künftig zu erleichtern.
„Das ist eine entscheidende Grundlage, damit wir im Wohnungsbereich nicht komplett den Anschluss verlieren“, mahnt Michael Gilka, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. Die Regelung des § 13b des Baugesetzbuchs habe „endlich mal zu einer Vereinfachung und Beschleunigung geführt“, beschreibt Michael Gilka die Einschätzung seines Verbands.
Demnach konnten Städte und Gemeinden bei der Entwicklung von Bebauungsplänen im Innenbereich auch Flächen bis zu 10.000 Quadratmetern aus dem Außenbereich mit einbeziehen. Das war sonst nur mit einer Flächennutzungsplanänderung und einer aufwändigen Umweltprüfung möglich. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun geurteilt, dass § 13b BauGB gegen Europarecht verstoße (Urteil vom 18.07.2023, 4 CN 3.22). Damit dürfen keine Bebauungspläne mehr nach dieser Vorschrift erlassen werden.
„Das ist sehr bedauerlich“, reagiert BVMB-Hauptgeschäftsführer Gilka auf die Entscheidung. Die unmittelbare Auswirkung des Urteils ist zumindest für die Zukunft nicht mehr dramatisch – § 13b BauGB galt ohnehin nur für Beschlüsse bis Ende 2022. Aber auch Bauleitpläne, die fristgerecht angestoßen wurden, dürfen jetzt nicht mehr nach § 13b aufgestellt werden. „Damit komme es in vielen Kommunen zum Stillstand bei der Ausweisung neuer Baugebiete“, merkt Gilka an.
„Wir fordern seit vielen Jahren eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, damit schneller Baurecht für Bauwillige entstehen kann. Da ist das jetzt wirklich ein Bärendienst“, so der Vertreter der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V.
Der Verband appelliert an die Bundesregierung, „so schnell wie möglich eine Nachfolgeregelung“ für die für unwirksam erklärte Regelung im Baugesetzbuch zu schaffen. Es gebe „schließlich unzählige Mittel und Wege, endlich die Baugenehmigungen zu beschleunigen“, so Gilka, „da muss es doch möglich sein, dass man eine davon nutzt, um die Bautätigkeit endlich wieder ein Stück weit anzuschieben.“
Insbesondere der Wohnungsbau erlebt aktuell laut BVMB ein Desaster. Die Aufträge seien „zum Teil komplettweggebrochen“,berichtet Hauptgeschäftsführer Michael Gilka. Die Mitgliedsbetriebe hätten massiv mit „nahezu einem Stillstand“ in dem Bausektor zu rechnen. Stark gestiegene Preise und unzureichendestaatliche Förderprogramme hätten laut BVMB bereits „katastrophaleAuswirkungen“ auf den Bau neuer Wohnungen. Insoweit müsse die Politik „alle Register ziehen“ und mit entsprechenden gesetzlichen Neuregelungen dafür sorgen, dass der Wohnungsbau nicht auch noch durch überlange und komplizierte Genehmigungsverfahren mehr als nötig behindert wird.
Quelle: Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB), Foto: Wolfgang Filser / Adobe Stock
Freiflächen außerhalb des Siedlungsbereichs einer Gemeinde dürfen nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB ohne Umweltprüfung überplant werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 18.07.2023 entschieden.
Der Antragsteller, eine gemäß § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Dieser setzt für ein ca. 3 ha großes Gebiet am südwestlichen Ortsrand der Gemeinde im planungsrechtlichen Außenbereich ein (eingeschränktes) allgemeines Wohngebiet fest. Der Bebauungsplan wurde im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne Umweltprüfung aufgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgewiesen. Die Durchführung des beschleunigten Verfahrens begegne keinen Bedenken. § 13b BauGB sei mit der SUP-Richtlinie vereinbar, seine Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil aufgehoben und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Der Plan leidet an einem beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Er ist zu Unrecht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB erlassen worden. Die Vorschrift verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 der SUP-RL. Art. 3 Abs. 1 SUP-RL verlangt eine Umweltprüfung für alle Pläne nach den Absätzen 2 bis 4, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Ob dies der Fall ist, bestimmen die Mitgliedstaaten für die in den Absätzen 3 und 4 genannten Pläne entweder durch Einzelfallprüfung, Artfestlegung oder eine Kombination dieser Ansätze (Art. 3 Abs. 5 SUP-RL).
Der nationale Gesetzgeber hat sich in § 13b BauGB für eine Artfestlegung entschieden. Diese muss nach der Rechtsprechung des zur Auslegung des Unionsrechts berufenen Europäischen Gerichtshofs gewährleisten, dass erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen sind. Der Gesetzgeber darf sich folglich nicht mit einer typisierenden Betrachtungsweise oder Pauschalierung begnügen.
Diesem eindeutigen und strengen Maßstab wird § 13b Satz 1 BauGB nicht gerecht. Anders als bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a BauGB, die der Inanspruchnahme von Flächen außerhalb des Siedlungsbereichs entgegenwirken sollen, erlaubt § 13b BauGB gerade die Überplanung solcher Flächen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB – Flächenbegrenzung, Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil – sind nicht geeignet, erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vornherein auszuschließen. Das gilt schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit.
§ 13b BauGB darf daher wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden. Die Antragsgegnerin hätte somit nach den Vorschriften für das Regelverfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans eine Umweltprüfung durchführen sowie einen Umweltbericht erstellen und der Begründung des Bebauungsplans beifügen müssen. Dieser beachtliche, vom Antragsteller fristgerecht (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) gerügte, Verfahrensmangel hat die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge.
BVerwG 4 CN 3.22 -Urteil vom 18. Juli 2023
Vorinstanz:
VGH Mannheim, VGH 3 S 3180/19 - Urteil vom 11. Mai 2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht
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