13.05.2024 - München
Die Preisträgerinnen und Preisträger des Hochschulpreises 2024 v.l.n.r.: Erika Matjuch (3. Preis), Enes Aksoy (3. Preis), Franziska Amberger (1. Preis), Max Peetz (2. Preis). Foto: LBB
Wolfgang Schubert-Raab, Präsident der Bayerischen Baugewerbeverbände, zeichnete im Oskar von Miller Forum in München exzellente Bachelor- und Masterarbeiten im Fach Bauingenieurwesen der bayerischen Hochschulen aus. Aus den sechsundzwanzig Arbeiten hat der Wettbewerbsausschuss entschieden, vier Arbeiten mit einem Geldpreis und elf Arbeiten mit einer Teilnahmeurkunde auszuzeichnen.
In diesem Jahr gab es eine außergewöhnliche Vielfalt an Themen und Technologien, die geeignet sind, zukünftig neue Akzente im Baugewerbe zu setzen. Erstmalig haben mehrere Teilnehmer KI-Technologien zur Lösung sehr unterschiedlicher Probleme im Baugewerbe eingesetzt.
Mit dem 1. Preis und einem Geldbetrag von 3.000,- Euro wurde Franziska Amberger für ihre Masterarbeit „Experimentelle Untersuchungen von Schubwänden aus Mauerwerk unter Erdbebenbeanspruchung“ ausgezeichnet. Frau Amberger wurde für ihren wissenschaftlichen Beitrag zum zukünftigen Einsatz von Mauerwerk in deutschen Erdbebengebieten ausgezeichnet.
Mit Schubwandversuchen wurden Tragfähigkeit und Verformungswiderstand bei typischer Erdbebenbelastung experimentell ermittelt und mit den normativen Rechenansätzen verglichen. Damit konnte Frau Amberger den Nachweis führen, dass Mauerwerkswände gegenüber der aktuellen Normung noch Traglastreserven und größere Verformungskapazitäten haben.
Mit diesen Erkenntnissen werden im Hinblick auf die neue Erdbebennormung auch zukünftig kurze Aussteifungswände, wie sie typischerweise in Reihenhäuser vorkommen, möglich sein. Für die Mitgliedsbetriebe des Bayerischen Baugewerbes ist der Mauerwerksbau ein wichtiges Geschäftsfeld.
Für den Einsatz von Mauerwerk in deutschen Erdbebengebieten sind neben der Druckfestigkeit weitere Festigkeits- und Verformungseigenschaften gegen die durch das Erdbeben induzierten horizontalen Beanspruchungen relevant. Durch den Übergang zur europäischen Normung und einer modernen Architektur resultiert die Problemstellung, den rechnerisch-seismischen Nachweis für gewöhnliche Mauerwerksbauten erfolgreich zu führen.
Im Rahmen dieser Arbeit werden anhand von zwei Schubwandversuchen die Duktilität und die Tragfähigkeit der Aussteifungswände unter kombinierter Momenten-Normalkraft-Querkraft Interaktion beurteilt. Die Masterarbeit zeigt, dass unter Verwendung der experimentell ermittelten höheren Verhaltensbeiwerte im Gegensatz zu den normativen Mindestbeiwerten der seismische Nachweis für ein typisches Reihenhaus geführt werden kann. Die Erkenntnisse der experimentellen Untersuchungen zu höheren Traglastreserven und Verformungskapazitäten von Mauerwerk erleichtern Ingenieuren somit die erfolgreiche Bemessung von Mauerwerksbauten in deutschen Erdbebengebieten im Hinblick auf die Einführung des europäischen Normenkonzepts.
Den 2. Preis und einen Geldbetrag von 2.000,- Euro erhielt Max Peetz für seine Bachelorarbeit „Bemessung eines WU-Kellers aus Stahlfaserbeton mithilfe einer materialspezifischen Implementierung in einem FEM System“.
Die gegenwärtige Situation des Baugewerbes ist unter anderem von zwei entscheidenden Faktoren geprägt, einem anhaltenden Fachkräftemangel und einem erheblichen Anstieg der Baustoffpreise. Diese Herausforderungen erfordern innovative Lösungsansätze, um Bauvorhaben effizienter und kostengünstiger gestalten zu können.
Durch den Einsatz von Stahlfaserbeton verringern sich die lohnintensiven Bewehrungsarbeiten, was zu einer Bauzeitverkürzung sowie zur Reduzierung der verbauten Stahlmenge führt. Die vorliegende Arbeit konzentrierte sich auf die Bemessung und Ausführung von Stahlfaserkonstruktionen. Ziel ist es, bei der Bemessung eines WU-Kellers, am
Beispiel des Musterhauses der Rohbauausführungsdetails des LBB, unter Einhaltung der aktuell geltenden Vorschriften, vollständig oder größtenteils auf Betonstahlbewehrung zu verzichten. Da der Nachweis von Stahlfaserbetonbauwerken wirtschaftlich nur mit einer nichtlinearen FEMBerechnung umsetzbar ist, erfolgte eine umfassende Implementierung der baustoffspezifischen Materialeigenschaften in die FEM-Lösung der SOFiSTiK AG. Darüber hinaus wurde versucht, einen Regelablauf für die Bemessung von faserbewehrten Bauteilen festzulegen.
Der 3. Preis wurde dieses Jahr unter zwei
Teilnehmenden aufgeteilt.
Einen 3. Preis und 500,- Euro erhält zum einen Enes Aksoy für seine Bachelorarbeit „Effiziente Zeitdatenerfassung im Bauwesen: Eine KI-basierte Analyse und Regelsetzung zur Steigerung der Datenqualität und Granularität“.
Die Entwicklung digitaler Werkzeuge in der Bauindustrie bietet im Baumanagement neue Möglichkeiten der Erfassung von Leistungsdaten und der Effizienzsteigerung von Produktionsprozessen. Im Bauwesen ist die Implementierung von datengenerierenden Systemen komplex, da der Baubetrieb nicht ortsgebunden ist.
Eine mögliche Lösung bietet der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Kombination mit kamerabasierter Bauzustandserfassung. Dabei wird die Erhebung einer hohen Anzahl von Daten mit einer bestimmten Detailtiefe angestrebt. Man spricht in der Informatik von der Granularität der Daten. Für die KI-basierte Datenerhebung ist es entscheidend, branchenspezifische Regeln zu beachten, um Qualität und Vergleichbarkeit von Daten zu garantieren.
Eine hohe Datenqualität setzt die Aufbereitung der mittels KI gewonnenen Daten in der Form voraus, dass diese nach den branchenspezifischen Regeln verarbeitet werden. Zur Anwendung kommen die Regeln des Reichsausschusses für Arbeitszeitermittlung (REFA), dessen Methoden standardmäßig zur Analyse und Zeiterfassung im Bauwesen verwendet werden. In dieser Bachelorarbeit wird ein Verfahren angestrebt, bei dem mittels „Machine Learning“ die REFA-Vorgaben zur Erfassung von Zeitdaten in einen KI-Prozess integriert werden.
Einen weiteren 3. Preis und 500,- Euro erhält zum anderen Erika Matjuch für ihre Bachelorarbeit „Potenziale zur nachhaltigen Umgestaltung und Optimierung von Betonkonstruktionen“.
Der weitverbreitete Einsatz von Beton in der Bauindustrie geht mit nachweislich negativen Umwelteinwirkungen einher. Daher ist es zwingend erforderlich diesen Umwelteinflüssen durch nachhaltige Lösungen zu entgegenzuwirken. Vielfältige Ansätze werden hierzu im Rahmen dieser Arbeit auf Grundlage einer Literaturrecherche beleuchtet. Diese umfassen die Verwendung von Recyclingmaterialien zur Herstellung von Beton, alternative Zementzusammensetzungen zur Reduzierung des Portlandzementanteils, lastorientierte Konstruktionsmethoden zur Materialeinsparung sowie gesellschaftliche und politische Handlungsspielräume.
Diese Methoden werden dabei insbesondere hinsichtlich ihrer Qualität und praktischen Umsetzbarkeit bewertet. Eine vereinfachte Ökobilanzierung zeigt abschließend auf, dass das Bauwesen durch die Kombination dieser Ansätze deutlich ökologischer gestaltet werden kann.
Alle Arbeiten, die mit einer Teilnahmeurkunde oder einem Geldpreis ausgezeichnet werden, sind als kurze Zusammenfassung in einer Broschüre veröffentlicht.
Die Veranstaltung begann mit einem Fachkolloquium zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Baugewerbe mit dem Thema „Baustudiengänge im Umbruch? Hintergründe und Umsetzung der neuen Strukturen an der TU München“ von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Christoph Gehlen, Lehrstuhl Werkstoffe und Werkstoffprüfung im Bauwesen und Dekan der School of Engineering and Design an der TU München.
Die Stiftung Berufsförderung des Bayerischen Baugewerbes schreibt seit 2008 jährlich den Hochschulpreis des Bayerischen Baugewerbes aus. Mit ihm werden herausragende Bachelor- und Masterarbeiten der Fachrichtung Bauingenieurwesen mit hohem Praxisbezug für die Anwendung in Unternehmen der klein- und mittelständisch geprägten Bauwirtschaft prämiert.
Seit 2014 werden die zum Wettbewerb zugelassenen und die ausgezeichneten Arbeiten in einer Broschüre veröffentlicht. Die Broschüren stehen der Öffentlichkeit zum Download zur Verfügung.
Quelle und Fotos: Landesverband Bayerischer Bauinnungen, Foto Testaufbau im Erdbebenversuchslabor: Wolfgang Finckh / OTH Regensburg
Mit dem Ingenieurpreis prämiert die Bayerische Ingenieurekammer-Bau große und kleine Ingenieurleistungen, Projekte und Bauwerke aller Fachrichtungen, die auf ihre ganz besondere Weise herausstechen. Mitmachen lohnt sich: Der Ingenieurpreis ist mit insgesamt 10.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung mit rund 1000 Teilnehmenden erfolgt beim Bayerischen Ingenieuretag am 17. Januar 2025 auf der Messe BAU in München. Reichen Sie Ihre Projekte bis zum 12. Juli 2024 ein.
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