05.09.2025 - Dübendorf / Schweiz
Holzbau ist eine nachhaltige Alternative zu Beton. Bei der statischen Berechnung von Bauten in Holzrahmenbauweise gibt es jedoch eine Lücke: Wände mit Fensteröffnungen werden für die horizontale Aussteifung nicht berücksichtigt, weil Daten zu ihrem Tragverhalten fehlen. Ein Projekt der Empa, der Berner Fachhochschule und der ETH Zürich, in Zusammenarbeit mit dem BAFU und der Industrie, will das ändern – mit mathematischen Modellen und groß angelegten Versuchen.
Das Holz knarrt und ächzt, während die Zahl auf dem Bildschirm immer weiter ansteigt. Bei über 100 Kilonewton Horizontallast ertönt ein lauter Knall: Einer der Balken in der zweigeschossigen Hauswand ist unter dem enormen Druck gespalten. Empa-Forscherin Nadja Manser ist zufrieden: Der Versuch war erfolgreich. Über die nächsten Tage wird die hölzerne Hauswand in der Bauhalle der Empa abgebaut und mit einer neuen Wand ersetzt, die ihrerseits bis zum Versagen belastet wird, überwacht von zahlreichen Kameras und Sensoren.
Die spektakulären Versuche bilden die Abschlussphase eines vierjährigen Forschungsprojekts der Empa, der Berner Fachhochschule und der ETH Zürich, unterstützt vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) im Rahmen des „Aktionsplans Holz“ sowie von mehreren Industriepartnern und Verbänden.
Das Ziel: mehr Effizienz im Holzrahmenbau dank verbesserten statischen Berechnungen. „Wir untersuchen die horizontale Aussteifung von Gebäuden mit Holzrahmenbauwänden, die Fensteröffnungen enthalten“, präzisiert Manser.
Gebäude müssen nämlich nicht nur den vertikal wirkenden Lasten standhalten, wie Schnee und Eigengewicht, sondern auch solchen, die von der Seite auf sie einwirken, etwa durch den Wind an der Fassade oder durch Erdbeben. Diese horizontalen Lasten müssen Bauingenieure im Planungsprozess berechnen, um ausreichend steife und tragsichere Bauten zu entwerfen. Beim Holzrahmenbau gibt es hier allerdings eine entscheidende Wissenslücke:
„Weder in der Schweiz noch in anderen europäischen Ländern gibt es heute eine Regelung dazu, wieviel Horizontallast eine Holzrahmenwand trägt, wenn sie eine Fensteröffnung enthält“, so Nadja Manser. „Sobald ein Fenster in der Fassade eingeplant ist, muss das ganze Wandsegment vom planenden Ingenieur so behandelt werden, als sei dort nur Luft. Das ist nicht effizient.“
Also haben sich Manser, ihr Team und ihre Projektpartner 2021 zum Ziel gesetzt, die Wissenslücke zu schließen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, auch Wände mit Fensteröffnungen bei der Gebäudeaussteifung zu berücksichtigen. Die Versuche begannen im kleinen Rahmen an der Berner Fachhochschule in Biel, zunächst mit einzelnen Beplankungsplatten, wie sie im Holzrahmenbau verwendet werden, danach mit kleinen Wandelementen und schließlich mit eingeschossigen Wänden mit verschieden großen Fensteröffnungen.
Die abschließenden Großversuche führten die Forschenden in der Bauhalle der Empa durch: zuerst mit zweigeschossigen Holzwänden, danach mit langen eingeschossigen Wänden, mit jeweils zwei Fensteröffnungen nebeneinander. Die Erkenntnisse daraus fließen in ein neues Computermodell, mit dem die horizontale Aussteifung der Wände mit Fensteröffnungen berechnet werden kann. Die Arbeiten am Modell sind noch nicht abgeschlossen, die ersten Ergebnisse sind jedoch vielversprechend: Der Beitrag der Wände mit Fensteröffnungen an die Gebäudeaussteifung ist groß genug, dass in Zukunft weniger teure und arbeitsintensive Stahlverankerungen benötigt werden.
„Bei gewissen Gebäuden kann womöglich auf einen Betonkern verzichtet werden, der heute bei vielen Holzbauten notwendig ist, um die gewünschten Steifigkeitswerte zu erreichen“, sagt Nadja Manser. Dies spart Zeit und Material und ermöglicht wirtschaftlichere und nachhaltigere Holzbauten.
Bevor das neue Berechnungsmodell in der Industrie zum Einsatz kommen kann, wird es noch vereinfacht. „Momentan haben wir ein komplexes Forschungsmodell mit vielen Parametern. Das Ziel ist, daraus ein vereinfachtes Praxismodell abzuleiten, das weniger rechenintensiv ist, aber trotzdem ausreichend genaue Werte liefert“, erklärt Manser. Dafür arbeiten die Forschenden eng mit ihren Industriepartnern zusammen – wie schon während des gesamten Projekts.
„Es war nicht immer einfach, die unterschiedlichen Ansprüche seitens der Industrie und der Forschung unter einen Hut zu bringen. Aber dafür können die Resultate unserer Arbeit rasch zur Anwendung kommen“, so die Forscherin und Bauingenieurin.
Beteiligte Partner
Quelle und Fotos. Empa
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